Ich stehe morgens auf. Und gehe aus dem Haus. Auf dem Bürgersteig ist ein sehr tiefes Schlagloch. Ich sehe es nicht und falle hinein. Am nächsten Tag gehe ich aus dem Haus, vergesse das Schlagloch auf dem Bürgersteig und falle wieder hinein. Am dritten Tag gehe ich aus dem Haus und versuche an das Schlagloch auf dem Bürgersteig zu denken. Doch ich erinnere mich nicht daran und falle hinein. Am vierten Tag gehe ich aus dem Haus und versuche an das Schlagloch auf dem Bürgersteig zu denken. Ich denke daran, übersehe es jedoch trotzdem und falle hinein. Am fünften Tag gehe ich aus dem Haus. Ich denke daran, mich vor dem Schlagloch auf dem Bürgersteig hüten zu müssen, und hefte meinen Blick auf den Boden. Ich sehe es und falle trotzdem hinein. Am sechsten Tag gehe ich aus dem Haus. Ich denke an das Schlagloch im Bürgersteig. Ich halte danach Ausschau. Ich sehe es, versuche darüberzuspringen, aber falle hinein. Am siebten Tag gehe ich aus dem Haus und sehe das Schlagloch. Ich nehme Anlauf, springe, berühre mit der Fussspitze knapp die andere Seite, aber eben nur knapp, und falle hinein. Am achten Tag gehe ich aus dem Haus, sehe das Schlagloch, nehme Anlauf, springe und erreiche die andere Seite! Vor lauter Stolz, es geschafft zu haben, mache ich Freudensprünge und falle wieder ins Loch. Am neunten Tag gehe ich aus dem Haus, sehe das Schlagloch, nehme Anlauf, überspringe es und setze meinen Weg fort. Am zehnten Tag, nämlich heute, wird mir klar, dass es viel einfacher wäre … auf der anderen Strassenseite zu gehen. (aus Geschichten zum Nachdenken von Jorge Bucay (2009)) |